Objektive Handlungsfähigkeit – Und Subjektivität als gegenständlicher Zeitwert
Die bisherigen Modelle zur Leistungserwartung (ALE), Fristdeformation und Schuldwerten haben gezeigt, dass sich die Bewertung von Handlungen nicht allein aus subjektiven Präferenzen oder verfahrensökonomischen Erwägungen ableiten lässt. Vielmehr ist eine objektive Handlungsfähigkeit zu bestimmen, die den realen Handlungsspielraum einer Einheit im Verhältnis zu normativen Erwartungen beschreibt. Parallel dazu erlaubt der objektive Wertvergleich, die tatsächliche Erfüllung mit dem normierten Sollwert in ein messbares Verhältnis zu setzen.
Objektive Handlungsfähigkeit: Wir definieren die objektive Handlungsfähigkeit \(H_i(t)\) einer Einheit \(i\) zum Zeitpunkt \(t\) als Quotient aus realisierbarer Handlungskapazität und normativ geforderter Handlungskapazität[1]Siehe: Auslastungs-, Produktivitäts- und Solvenzkennzahlen (Kapazität real vs. normativ) :
\(
H_i(t) = \frac{C_i^{\mathrm{real}}(t)}{C_i^{\mathrm{norm}}(t)}.
\)
- \(C_i^{\mathrm{real}}(t)\): tatsächlich verfügbare Kapazität (z.,B. Zeit, Ressourcen, Mittel)
- \(C_i^{\mathrm{norm}}(t)\): normativ geforderte Kapazität (z.,B. Fristvorgaben, gesetzliche Anforderungen)
Ein Wert \(H_i(t) \geq 1\) bedeutet, dass die Einheit objektiv handlungsfähig ist; Werte \(H_i(t) < 1\) zeigen eine strukturelle Unterdeckung.
Objektiver Wertvergleich: Analog zur ALE definieren wir den objektiven Wertvergleich \(V_i(t)\) als Verhältnis von realem zu normiertem Wert:
\(
V_i(t) = \frac{W_i^{\mathrm{real}}(t)}{W_i^{\mathrm{norm}}(t)}.
\)
- \(W_i^{\mathrm{real}}(t)\): tatsächlich erbrachter Wert (z.,B. Schuldtilgung, Leistungserfüllung)
- \(W_i^{\mathrm{norm}}(t)\): normativ erwarteter Wert (z.,B. Sollbetrag, Benchmark)
Damit gilt: \(V_i(t) = 1\) bei vollständiger Erfüllung, \(V_i(t) < 1\) bei Untererfüllung, \(V_i(t) > 1\) bei Übererfüllung.
Zusammenhang zwischen Handlungsfähigkeit und Wertvergleich: Die beiden Größen sind nicht unabhängig, sondern stehen in einem funktionalen Zusammenhang:
\(
V_i(t) \approx f\bigl(H_i(t), \Delta T_i(t)\bigr),
\)
wobei \(\Delta T_i(t)\) die Fristdeformation darstellt.
Interpretation: Ist \(H_i(t) < 1\) und \(\Delta T_i(t) < 0\), sinkt die Wahrscheinlichkeit einer normgerechten Erfüllung drastisch. Ist \(H_i(t) \geq 1 \), kann auch bei negativer Fristdeformation ein Wertvergleich \(V_i(t) \approx 1\) erreicht werden. Übererfüllung \( \left(V_i(t) > 1\right) \) setzt in der Regel \(H_i(t) > 1\) voraus, also eine objektive Überkapazität.
Die objektive Handlungsfähigkeit bildet die Grundlage für die Erfüllung normativer Erwartungen. Der objektive Wertvergleich ist das messbare Resultat dieser Fähigkeit im Verhältnis zur Fristdeformation. Damit wird die ALE nicht nur als abstrakter Index, sondern als konkrete Funktion von Handlungskapazität, Zeitfaktor und Wertrelation interpretierbar.
Konsistenzminimum für objektive Handlungsfähigkeit
Transaktionen müssen auf einer realen Substanz basieren. Ein Konsistenzminimum sichert, dass jederzeit ein Mindest-Vermögenswert vorhanden ist, um eine echte Rechtswirkung zu entfalten und Scheingeschäfte auszuschließen.
Tatsächliche Werte über Zeit und Kategorien: Sei für jede Einheit \(i\) und Vermögenskategorie \(k\) der tatsächliche (reale) Wert zum Zeitpunkt \(t\)
\( A_{i,k}(t)\) z.,B. Bankguthaben, Immobilien, Beteiligungen.
Wir betrachten ein Zeitfenster \([t_0-H,\,t_0]\), in dem die Substanz stabil gehalten werden muss.
Definition des Konsistenzminimums: Normativer Mindestwert (objektive Handlungsfähigkeit).
Es sei;
\( W_{\min}\;>\;0. \)
Substanzindikator Infimum im Fenster:
\( \mathrm{Substanz}_i = \inf_{t \in [t_0-H,\,t_0]} \frac{\sum_{k} A_{i,k}(t)}{W_{\min}} \)
\( \text{mit} \quad \mathrm{Substanz}_i \ge 1 \)
– erst wenn \(\mathrm{Substanz}_i\ge1\) gilt, liegt eine hinreichende reale Vermögenssubstanz vor.
Konsistenzprüfung von Schuldverhältnissen und Perspektivabweichung
Die Konsistenzprüfung aller Schuldverhältnisse soll sicher stellen, dass die rechtlich bestimmten Soll-Verpflichtungen (Verträge, gesetzliche Pflichten, Beteiligungen/Bürgschaften) mit den tatsächlich beobachtbaren Zahlungs- und Leistungsströmen übereinstimmen. Zentrales Anliegen ist, aus der Perspektive der Schuld- und Rechtsverhältnisse einen konkreten Nachweis zu führen: Im Normalbedarfsfall dürfen sich die wahrscheinlichsten Personenverhältnisse nicht widersprechen. Zugleich ist die Perspektivabweichung zu berücksichtigen: Scheinbar konsistente Daten (z. B. pünktliche Zahlung) können eine abweichende Realität kaschieren (Stundungen, Nebenverpflichtungen, verdeckte Haftungen), die den wahren Erfüllungsgrad unterschätzt oder überschätzt.
Für jedes Verhältnis \(k\) betrachten wir periodisierte Soll- und Ist-Werte (z. B. monatlich), zeitliche Lage (Fälligkeit vs. Zahlung), Nebenbedingungen (Stundung, Ratenplan), sowie off-balance Risiken (Bürgschaft, Patronat, Eventualverbindlichkeiten).
Sei \(k \in \mathcal{K}\) ein Schuldverhältnis in der betrachteten Periode \(t\). Dann sei;
\( \text{Konsistenz}_{k,t} = \)
- Fall 1: \(1, \text{wenn } \text{Ist}_{k,t} \) \(\text{ frist- und betragsgerecht } = \text{Soll}_{k,t} \)
- Fall 2: \(0, \text{sonst}\)
\(\Delta_{k,t} = \frac{\text{Ist}_{k,t}}{\text{Soll}_{k,t}} – 1 \) Perspektivabweichung als normierte Erfüllung
Signifikanzschwelle \(\tau_k \ge 0\) (tolerierte Abweichung, z. B. \(5\%\) für existenzkritische, \(10\%\) für sonstige Pflichten).
Erweitere Sicht um verborgene Lasten und Timing:
- \(\phi_{k,t} =\mathbb{1}\) Stundung/Ratenplan/Verzug \(\lor |\text{Ist}_{k,t-\ell}-\text{Soll}_{k,t-\ell}|>\tau_k \cdot \text{Soll}_{k,t-\ell} \) für ein \(\ell \le L\} \)
- \(\psi_{k,t} = \) \(\mathbb{1}\) Off-balance-Risiko aktiv: Bürgschaft/Patronat/Ereignisnähe
Täuschungsindikator (scheinbare Konsistenz trotz substantieller Abweichungs- oder Risikohinweise):
\( \text{Täuschung}_{k,t} =\)
- Fall 1: \(1, \text{wenn } \text{Konsistenz}_{k,t}=1\) \(\big(|\Delta_{k,t}|>\tau_k \ \lor \ \phi_{k,t}=1 \ \lor \ \psi_{k,t}=1\big) \)
- Fall 2: \(0, \text{sonst}\)
Konsistenzindex und Täuschungsquote über die Menge wesentlicher Schuldverhältnisse \(\mathcal{K}^*\) (z. B. Normalbedarfs-/Pflichtmenge):
\(\text{KI}_t = \frac{1}{|\mathcal{K}^*|}\sum_{k \in \mathcal{K}^*} \text{Konsistenz}_{k,t}\)
\(\text{TQ}_t = \frac{1}{|\mathcal{K}^*|}\sum_{k \in \mathcal{K}^*} \text{Täuschung}_{k,t}\)
\(\text{Effektive Konsistenz: } \) \( \text{KI}^{\text{eff}}_t = \max\{0,\ \text{KI}_t – \gamma \cdot \text{TQ}_t\}, \quad \gamma \in [0,1]\)
Restdistanz zum Ausschlusskriterium und objektive Abweichung
Die Restdistanzanalyse quantifiziert, wie nah ein Fall an der Erfüllung aller Ausschlusskriterien liegt. Sie zeigt den kleinsten Puffer zu den definierten Schwellenwerten und macht sichtbar, welche Bedingung als erste verletzt würde. Dies ermöglicht eine präzise Beurteilung, ob ein Ausschluss mit hoher Bestimmtheit vertretbar ist.
Für Einheit \(i\) gelten:
- \(\text{Margin}_{\mathrm{ALE}} = \mathrm{ALE}_i – \theta_{\mathrm{ALE}},\)
- \(\text{Margin}_{\mathrm{KI}} = \mathrm{KI}^{\mathrm{eff}}_i – \theta_{\mathrm{KI}}\)
- \(\text{Margin}_{S} = \theta_S – \mathcal{S}_i, \label{eq:margin_s}\)
Und:
- \(\text{Margin}_{\Delta} = \min_{k} \left( \tau_k – \left|\Delta^{(k)}_i\right| \right),\)
- \(D_i = \) \(\min\{\text{Margin}_{\mathrm{ALE}},\ \text{Margin}_{\mathrm{KI}},\ \text{Margin}_{S},\ \text{Margin}_{\Delta}\}. \)
- \(D_i>0\) bedeutet: alle Bedingungen erfüllt, kleinster Puffer \(D_i\).
- \(D_i<0\) bedeutet: mindestens eine Bedingung verletzt, Betrag = minimale Korrektur zur Grenze.
Um die kleinste Korrektur zu bestimmen, die alle Konsistenz- und Marginschwellen erfüllt, führen wir einen Korrekturvektor \(\delta \in \mathbb{R}^n\) ein. Dieser Vektor repräsentiert die notwendigen Anpassungen der einzelnen Komponenten (z.,B. Margins, Restdistanz oder Substanzindikatoren), damit alle Schwellenbedingungen eingehalten werden.
Die minimale Anpassung kann formal als Optimierungsproblem beschrieben werden:
\(\min_{\delta \in \mathbb{R}^n} \sum_{j=1}^{n} \alpha_j |\delta_j|
\quad \text{s.t.} \quad A \delta \ge b\)
wobei;
- \(\delta_j\) die minimale Korrektur der (j)-ten Komponente darstellt,
- \(A \in \mathbb{R}^{m \times n}\) die lineare Abbildung der Schwellenbedingungen enthält,
- \(b \in \mathbb{R}^m\) die jeweiligen Grenzwerte der Bedingungen darstellt,
- \(\alpha_j > 0\) die Gewichtungen sind, die den relativen Aufwand der Korrektur widerspiegeln.
Dieses Optimierungsproblem stellt sicher, dass alle Bedingungen \(A \delta \ge b\) erfüllt werden, während gleichzeitig die Gesamtänderung in gewichteter \(L^1\)-Norm minimiert wird[2]Siehe: Verwendung der \(L^1\)-Norm zur Minimierung von Gesamtänderungen, Chen, S., Donoho, D. L., & Saunders, M. A. (1998). Atomic Decomposition by Basis Pursuit. SIAM Journal on Scientific … Continue reading
Interpretation:
- Fall A: Alle Bedingungen erfüllt, aber \(M_\Delta=0\) zeigt, dass eine Kategorie exakt an der Toleranzgrenze liegt – Ausschluss möglich, aber Beleglage muss hier besonders solide sein.
- Fall B: Ausschluss scheitert an ALE, KI und Kategorieabweichungen; kleinste notwendige Korrektur: Reduktion der größten Kategorieabweichung oder ALE-Anhebung und KI-Anhebung.
- Fall C: Deutliche Verletzungen in allen Dimensionen, größte Hürde ist die Konsistenz \(Margin_{\mathrm{KI}}\).
Minimale Anpassung zum Ausschluss: Gesucht ist die kleinste Änderung der Indikatoren, die alle Bedingungen erfüllt:
\( \min_{\delta} \quad \alpha_1\sum_k |\delta_k| + \alpha_2|\delta_{\mathrm{ALE}}| + \alpha_3|\delta_{\mathrm{KI}}| + \alpha_4|\delta_S| \nonumber\)
\(\text{s.d.} \quad |\Delta^{(k)}_i+\delta_k| \le \tau_k,\ \forall k, \nonumber\)
\( \mathrm{ALE}_i+\delta_{\mathrm{ALE}} \ge \theta_{\mathrm{ALE}}, \nonumber\)
\( \mathrm{KI}^{\mathrm{eff}}_i+\delta_{\mathrm{KI}} \ge \theta_{\mathrm{KI}}, \nonumber\)
\( \mathcal{S}_i+\delta_S \le \theta_S. \nonumber \)
Die Gewichtungen \(\alpha_\bullet\) priorisieren realistische Hebel (z. B. Verbesserung der Konsistenz vor kosmetischen Anpassungen).
Objektive Maßstäbe zur Abweichungsprüfung
Für jede Kategorie \(k\):
\(u^{(k)}_i = \sqrt{\left(\frac{u(\mathrm{Ist}_{i,k})}{E_{i,k}}\right)^2 + \left(\frac{\mathrm{Ist}_{i,k}\,u(E_{i,k})}{E_{i,k}^2}\right)^2}, \)
\(\text{Test:} \quad |\Delta^{(k)}_i| + z_{0.95}\cdot u^{(k)}_i \le \tau_k. \)
Unsicherheit der ALE:
\(u(\mathrm{ALE}_i) \approx \frac{1}{\sum_k \rho_k} \sqrt{\sum_k \rho_k^2 \cdot u^{(k)2}_i}. \)
Konservativer ALE-Test:
\(\mathrm{ALE}_i^{-} = \mathrm{ALE}_i – z_{0.95}\cdot u(\mathrm{ALE}_i) \ge \theta_{\mathrm{ALE}}.\)
Beleglage bei engen Margins: Je kleiner der Puffer \(D_i\), desto höher der Beweisstandard:
- Bei \(D_i \approx 0\): Vollständige Dokumentation der relevanten Soll-/Ist-Daten, Nachweise für fristgerechte Erfüllung, keine verdeckten Lasten.
- Bei \(D_i < 0\): Klare Benennung der verletzten Bedingung und der notwendigen Korrektur, um die Schwelle zu erreichen.
Einbindung in die Konsistenzprüfung
Erweiterung des effektiven Konsistenzindex (\(\mathrm{KI}^{\mathrm{eff}}_i\):
\(\mathrm{KI}^{\mathrm{eff,sub}}_i = \mathrm{KI}^{\mathrm{eff}}_i \;\times\; \min\{\mathrm{Substanz}_i,\,1\}. \)
Nur bei vollem Substanznachweis (\(\mathrm{Substanz}_i\ge1\)) bleibt die Konsistenz unverändert; andernfalls wird \(\mathrm{KI}^{\mathrm{eff}}_i\) proportional herabgesetzt.
Restdistanz mit Substanzminimum: Zusätzlich zu den Margins aus Abschnitt[3]Restdistanz definieren wir
\(\text{Margin}_{\text{Substanz}} = \mathrm{Substanz}_i – 1,\)
und die Gesamt-Restdistanz
\(D_i = \min\{\dots,\ \text{Margin}_{\text{Substanz}}\}. \)
Ein negativer Wert weist auf unzureichende reale Substanz hin und verhindert den Ausschluss.
Anpassung der Entscheidungsregel: Ausschluss (echte Rechtswirkung) nur, wenn zusätzlich
\(\mathrm{Substanz}_i \ge 1 \quad \Longleftrightarrow \quad \text{Margin}_{\text{Substanz}}\ge0. \)
Eingrenzung, sobald \(\mathrm{Substanz}_i<1\) (potenzielles Scheingeschäft).
Damit ist das Konsistenzminimum als letzte Schranke implementiert: Es sichert die reale Vermögenssubstanz gegen zeitliche Ausreißer und verhindert formalistische Ausschlüsse ohne echte wirtschaftliche Deckung.
Risikofunktion
Integration in den Gesamtscore, z. B. ergänzend zu ALE:
\(\mathcal{S}_t = \sigma\!\Big(\beta_0 + \beta_1\,(1-\text{KI}^{\text{eff}}_t) \)
\(+ \beta_2 \sum_{k \in \mathcal{K}^*} \max\{|\Delta_{k,t}|-\tau_k,0\}\)
\(+ \beta_3 \,\text{TQ}_t\)
\(+ \beta_4 \,\mathrm{CashShare}_t\)
\( \Big),\ \ \sigma(x)=\frac{1}{1+e^{-x}} \)
Entscheidungsregeln (Ausschluss/Eingrenzung), analog zu \(\mathrm{ALE}\), nun mit KI-Komponente:
\(\text{Ausschluss:} \) \( \text{KI}^{\text{eff}}_t \ge \theta_{\text{KI}} \land \sum_{k} \max\{|\Delta_{k,t}|-\tau_k,0\}=0 \land \mathcal{S}_t < \theta_S \)
\( \text{Eingrenzung: } \) \( \text{KI}^{\text{eff}}_t < \theta_{\text{KI}} \ \lor\ \sum_{k} \max\{|\Delta_{k,t}|-\tau_k,0\}>0 \ \lor\ \mathcal{S}_t \ge \theta_S \)
Zeitliche Abtragung
Es soll untersucht werden, wie unterschiedliche Deliktsarten, Schuldverhältnisse und Schadensformen im zeitlichen Verlauf unter dem Einfluss von Fristdeformation (\(\Delta T\)) abgetragen werden können[4]Unter Abtragung verstehen wir den zeitlichen Prozess, durch den Delikts- oder Schuldverhältnisse unter dem Einfluss von Fristbedingungen und Kapazitäten graduell reguliert, transformiert oder … Continue reading. Dabei wird insbesondere analysiert, wie sich die objektive Handlungsfähigkeit und das Konsistenzminimum (\(C_i^{\min}(t)\)) auf die Verlustakkumulation auswirken.
Grundstruktur: Für jedes Verfahren \(i\) mit einem zugeordneten Delikt oder Schuldverhältnis definieren wir:
- \(\Delta T_i\): Fristdeformation (positiv = Aufschub, negativ = Säumnis),
- \(K_i(t)\): Kapazitätsbedingung (objektiv verfügbare Handlungsmittel),
- \(C_i^{\mathrm{norm}}(t)\): normative Sollkapazität,
- \(C_i^{\min}(t)\): Konsistenzminimum im Sinne eines normativen Substanzminimums,
- \(H_i(t) = \frac{K_i(t)}{C_i^{\min}(t)}\): objektive Handlungsfähigkeit,
- \(L_i(t)\): Verlustanteil zum Zeitpunkt \(t\).
Das Konsistenzminimum stellt eine normativ definierte Untergrenze dar, die sicherstellt, dass ein Verfahren substanzielle Mindestbedingungen erfüllt, um echte Rechtswirkungen zu entfalten und Scheingeschäfte auszuschließen.
Formal ergibt sich für ein Zeitfenster der Länge \(H > 0\):
\(C_i^{\min}(t) = \inf_{\tau \in [t-H,\,t]} C_i^{\mathrm{norm}}(\tau).\)
Damit wird nicht nur der aktuelle Sollwert berücksichtigt, sondern auch das historische Substanzminimum.
Zeitliche Abtragung: Die Schadensart \(S_i(t)\) entwickelt sich in Abhängigkeit von Fristdeformation und Handlungsfähigkeit:
\(S_i(t) = \)
Fall 1: \(\text{linear steigend}, \text{wenn } \Delta T_i < 0 \text{ und } H_i(t) < 1, \)
Fall 2: \(\text{stabil}, \text{wenn } \Delta T_i \approx 0 \text{ und } H_i(t) \geq 1, \)
Fall 3: \(\text{verzögert sichtbar}, \text{wenn } \Delta T_i > 0 \text{ und } H_i(t) \geq 1.\)
Verlustauflösung: Der Verlustanteil wird durch Kapazitätsunterdeckung und Fristdeformation bestimmt. Wir definieren:
\( L_i(t) = \)
\(\theta \,(1 – H_i(t)) \,(1 + \gamma \,|\Delta T_i|) + \)
\( \delta \,\mathbf{1} \left( \min_{\tau \in [t-H,\,t]} H_i(\tau) < 1 \right) \)
mit:
- \(\theta\): Grundverlustfaktor je Deliktsart,
- \(\gamma\): Verstärkungsfaktor für zeitliche Verzerrung,
- \(\delta\): Zusatzverlust bei Verletzung des Konsistenzminimums,
- \(\mathbf{1}(\cdot)\): Indikatorfunktion[5]Siehe: Indikatorfunktion-Notation, Vgl. Basiswissen Statistik – Kompaktkurs für Anwender aus Wirtschaft, Informatik und Technik, Dritte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Spinger von … Continue reading, die 1 ist, wenn die Bedingung erfüllt ist.
Kategorisierung nach Deliktsart: Die Parameter \(\theta\), \(\gamma\) und die Höhe des Konsistenzminimums variieren je nach Deliktsart, z.B Vermögensdelikte (Untreue, Betrug): hohe \(\theta\), mittleres \(C_i^{\min}\), Verfahrensdelikte (Steuerverkürzung, Insolvenzverschleppung): mittlere \(\theta\), hohes \(C_i^{\min}\), Strukturdelikte (Geldwäsche, Subventionsbetrug): variable \(\theta\), hohes \(C_i^{\min}\), starke \(\gamma\).
Die Handlungsfähigkeit \( H_i(t)=\frac{K_i(t)}{C_i^{\min}(t)}\) misst, ob die vorhandenen Kapazitäten ausreichen, um das normative Minimum \( C_i^{\min}(t) \) zu erfüllen. Es gelte; \( H_i(t)=1 \) (genau ausreichend), \( H_i(t)<1 \) (Unterdeckung, Verlust nimmt zu).
Dann sei; \( \theta \cdot (1 – H_i(t)) \) der Grundverlustterm; erhöht den Verlust linear mit dem Defizit der Handlungsfähigkeit. Der Faktor \(\theta \) skaliert je nach Deliktsart.
Dann sei; \( (1 + \gamma \,|\Delta T_i|) \) die Zeitverstärkung; bei größerer Fristdeformation (egal ob Verzögerung oder Säumnis) steigt der Verlust. \( \gamma\) ist der Verstärkungsfaktor.
Und; \(+ \delta \,\mathbf{1} \left( \min_{\tau \in [t-H,\,t]} H_i(\tau) < 1 \right) \) die Konsistenzverletzung. Wenn in einem zurückliegenden Zeitfenster \([t−H,t][t-H, t][t−H,t]\) die Handlungsfähigkeit dauerhaft unter 1 lag, also das Konsistenzminimum verletzt wurde, kommt ein diskreter Zusatzverlust \( \delta \) hinzu. Das modelliert nicht nur eine „momentane“ Schwäche, sondern eine strukturelle Inkonsistenz.
Die zeitliche Abtragung zeigt:
- Verletzungen des Konsistenzminimums führen zu abrupten Sprüngen im Verlustanteil (\(+\delta\)).
- Bei negativer Fristdeformation (\(\Delta T_i < 0\)) und Handlungsfähigkeitsdefizit (\(H_i(t) < 1\)) steigt der Verlustanteil beschleunigt.
- Die historische Definition von \(C_i^{\min}(t)\) verhindert, dass kurzfristige Ressourcenschwankungen die Konsistenz künstlich aufrechterhalten.
Die Kombination aus Fristdeformation, Handlungsfähigkeit und Konsistenzminimum erlaubt eine differenzierte Bewertung von Schuldverhältnissen im Zeitverlauf. Der Verlustanteil fungiert als Indikator für strukturelle Inkonsistenz und kann zur Priorisierung von Verfahren sowie zur Prognose von Rechtsfolgen eingesetzt werden.
References
| ↑1 | Siehe: Auslastungs-, Produktivitäts- und Solvenzkennzahlen (Kapazität real vs. normativ) |
|---|---|
| ↑2 | Siehe: Verwendung der \(L^1\)-Norm zur Minimierung von Gesamtänderungen, Chen, S., Donoho, D. L., & Saunders, M. A. (1998). Atomic Decomposition by Basis Pursuit. SIAM Journal on Scientific Computing, 2001, S. 33–61.. Sie fördert sparsity, d.,h., dass möglichst wenige Komponenten werden verändert werden |
| ↑3 | Restdistanz |
| ↑4 | Unter Abtragung verstehen wir den zeitlichen Prozess, durch den Delikts- oder Schuldverhältnisse unter dem Einfluss von Fristbedingungen und Kapazitäten graduell reguliert, transformiert oder aufgelöst werden. Je nach Parametern kann die Abtragung als Abbau (Verlustminimierung), als Stabilisierung oder als Verschärfung (Verluststeigerung) verlaufen |
| ↑5 | Siehe: Indikatorfunktion-Notation, Vgl. Basiswissen Statistik – Kompaktkurs für Anwender aus Wirtschaft, Informatik und Technik, Dritte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Spinger von Ansgar Steland S. 10 |


